Pioniere der Handstickmaschine

Handstickmaschine

Die Entwicklung einer ersten Großstickmaschine für Plattstich gelang 1828 Joshua Heilmann (1796-1848) aus dem elsässischen Mülhausen. Der Prototyp verfügte damals über 20 Sticknadeln, mit denen gleichzeitig gestickt werden konnte. Die Nadeln waren auf einem Wagen angeordnet, der mit einer Handkurbel bewegt wurde. Schon bald erweiterte man die Maschine auf 130 Nadel und fertigte die ersten Exemplare in der Maschinenfabrik André Koechlin & Cie in Mülhausen. Die Nachricht von der Erfindung einer mechanischen Stickmaschine erreichte schon bald die Stickereiregionen in der Schweiz und in Sachsen.

Bei den Stickereifabrikanten bestand großes Interesse am Kauf dieser vielversprechenden Maschine. Bereits 1830 erwarb auch die Plauener Weißwarenfirma Friedrich Ludwig Böhler & Sohn zwei dieser neuen Maschinen. Sie wurden auf Pferdefuhrwerken nach Plauen überführt und zusammengebaut. Jedoch stellte sich schon bald heraus, dass die neue Technik noch recht unvollkommen und für die Produktion wenig geeignet war. (1)
Darüber hinaus gab es Bemühungen, die Heilmannsche Handstickmaschine in Sachsen nachzubauen. Um 1840 sollen in der Maschinenbauwerkstatt von Nestler & Breitfeld im erzgebirgischen Erla handbetriebene Großstickmaschinen gebaut worden sein. Doch dieser Konstruktion war kein Erfolg beschieden.
Resigniert schrieb damals der Chronist sächsischer Industriegeschichte Friedrich Georg Wieck (1800-1860) zur Handstickmaschine, dass sie „trotz ihrer genialen Konstruktion gegen die unermüdlichen Finger unserer sächsischen Mädchen nicht aufzukommen vermag, obgleich in Plauen der Versuch dazu gemacht worden ist.“(2)

Tatsächlich sollten noch fast 20 Jahre vergehen bis in Sachsen wieder ein Stickereifabrikant den Kauf einer Handstickmaschine wagte. Inzwischen war es in der Schweiz gelungen, die Heilmannsche Stickmaschine technisch zu verbessern, so dass ab 1848 erste brauchbare Maschinen verkauft wurden.
Mit der neuen Schweizer Stickmaschine breitete sich in der Region St. Gallen die nun deutlich produktivere, mechanische Stickerei allmählich aus. Die sächsischen Stickereifabrikanten erkannten, dass mit den neuen Großstickmaschinen eine ernstzunehmende Konkurrenz entstanden war. So wurde überlegt, wie Schweizer Stickmaschinen, einschließlich dem sticktechnischen Knowhow, nach Sachsen überführt werden könnten.

Das gelang 1857 der Plauener Weißwarenfirma Schnorr & Steinhäuser. Sie erwarb zwei Handstickmaschinen in der Schweiz. Der Transport der schweren Maschinen bereitete sicher einige logistische Probleme, ihre „illegale“ Überführung ist dagegen nur eine gern zitierte Legende. Anfang 1858 nahmen die beiden Maschinen ihre Produktion in Plauen auf. Der Start verlief erfolgreich, denn bereits 1860 kauften Schnorr & Steinhäuser weitere zwölf Schweizer Maschinen.

Entscheidenden Anteil an der Überführung der Maschinen hatte der Student der Chemnitzer mechanischen Baugewerke- und Werkmeisterschule Fürchtegott Moritz Albert Voigt (1829-1895). Nachdem Voigt bei Zusammenbau und Inbetriebnahme der ersten beiden Maschinen seine Fähigkeiten unter Beweis gestellt hatte, erhielt er 1858 bei Schnorr & Steinhäuser einen Anstellungsvertrag. Er leitete nun die Überführung und den Aufbau der folgenden Schweizer Stickmaschinen. Dabei reifte bei Voigt der Entschluss zur Gründung einer eigenen Stickmaschinenfabrik. So verließ er 1860 seinen Arbeitgeber und begann in einer Werkstatt in Kändler bei Chemnitz mit der Fabrikation von eigenen, sächsischen Handstickmaschinen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten konnten bis August 1861 die ersten 25 Stickmaschinen ausgeliefert werden. Diese gingen wiederum an Schnorr & Steinhäuser, aber auch nach Österreich und in den Elsass.(3) Damit konnte nun auch der sächsische Maschinenbau die schnell wachsende Nachfrage nach Stickmaschinen befriedigen.

Literatur:
(1) H. Strobel, Die Anfänge der Maschinenstickerei im Vogtland und Westerzgebirge, in Vogtländische Heimatblätter, Heft 3 (2012), S. 17, vgl. H. Strobel, P. Schnetzer, Die Handstickmaschine – Erfindungsgeschichte und erste Besitzer, Monographie, 2021
(2) F. G.Wieck, Industrielle Zustände, S. 338
(3) F. Naumann, 150 Jahre Maschinenfabrik Kappel, in Museumskurier 40 (2017), S. 17

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