Lohnstickerei im Vogtland

Lohnstickerei

Die Marke „Plauener Spitze(n)“ entstand nach dem großen Erfolg der vogtländischen Spitzen- und Stickereindustrie auf der Pariser Weltausstellung im Jahr 1900. Die Zeiten traulicher Abende am Stickrahmen waren da schon längst vorbei, Spitzen- und Stickereierzeugnisse der Jahrhundertwende sind Industrieprodukte. Nur mit maschineller Stickerei konnte ein internationaler Massenmarkt bedient werden. Viele dieser filigranen Textilartikel aus dem Vogtland zauberten damals einen Hauch von Luxus in manche bescheidene Arbeiterwohnung, entsprechend groß war die Nachfrage.

Bis heute hat sich der Ruf des Vogtlandes als „Spitzen-Region“ in Deutschland aber auch im Ausland erhalten. Weniger bekannt ist, dass hinter den damals weltweit gehandelten Spitzen und Stickereien eine riesige Hausindustrie stand. Gestickt wurde in kleinen und kleinsten Familienbetrieben, die über das ganze Vogtland verteilt waren. Nach 1900 gab es kaum ein Dorf ohne Stickerei und dem typischen Geräusch laufender Großstickmaschinen.
Eine Statistik aus dem Jahr 1911 verdeutlicht das Ausmaß der dezentralen Lohnstickerei im Vogtland. Danach befanden sich von den insgesamt 5.197 registrierten Handstickmaschinen 82% in sogenannten Kleinstickereien, deren Maschinenbestand bei 1-2 Maschinen lag. Selbst bei den kraftbetriebenen Schiffchenstickmaschinen liefen 1911 von 9.760 registrierten Maschinen 78% in Kleinstickereien mit durchschnittlich 2 Maschinen je Betrieb.

Die Stickerei- und Spitzenindustrie, vor allem auch die massenhafte Lohnstickerei im Familienbetrieb, prägte das Vogtland auch soziokulturell. All diese „Stickmaschinenbesitzer“ waren angesehene Leute. Sie verkörperten den Typus von stolzer Eigenständigkeit durch selbstbestimmte Arbeit. So prekär der Verdienst für viele selbständige Sticker in dieser von der Mode dominierten Branche gewesen sein mag, dieses Los schien allemal erstrebenswerter als Fabrikarbeit.

Bis heute findet man in den Dörfern um Plauen und Auerbach die architektonischen Zeugnisse der Lohnstickerei mit ihren typischen Anbauten oder Hofgebäuden. Selten findet sich dort noch diese oder jene stillgelegte Großstickmaschine, die einst bessere Zeiten erlebte und nun auf ihre Verschrottung wartet. Bei den Bewohnern der Region ist die Tradition der Lohnstickerei noch lebendig, sie erzählen Geschichten von Eltern und Großeltern, von den schweren, aber schönen Zeiten, als die Stickmaschine noch den Takt im kleinen Familienbetrieb bestimmte. Die Kinder und Kindeskinder sind schon in anderen Zeiten groß geworden, haben eigene Pläne mit dem elterlichen Anwesen und den Hinterlassenschaften der Lohnstickerei.

Um so erfreulicher ist es, dass es gelungen ist, mit der Schaustickerei eine authentische Lohnstickerei der Jahrhundertwende zu erhalten. Es waren viele glückliche Umstände, die den Erhalt dieser alten Stickerei bis heute sicherten. Das wirtschaftliche Auf und Ab der Stickereiindustrie, Verstaatlichung in der DDR, Strukturwandel und moderner Zeitgeist haben das Schicksal vieler Lohnstickereien im Vogtland besiegelt. Auch die Stickerei am Obstgartenweg hatte ein wechselvolles Schicksal. Auf ihrem langen Weg zur heutigen Museumsfabrik, spiegeln sich die vielen Veränderungen dieser regionaltypischen Branche wider. Auch deshalb wurde das Gebäudeensemble der Schaustickerei bereits 1995 in die Liste der denkmalgeschützten Industriedenkmale aufgenommen.

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