Der letzte Kappel-Automat

Kappel-Automat

Um den Stickautomat der Maschinenfabrik Kappel-Chemnitz ranken sich Legenden und Geschichten und viele, viele Fragen. Einst als „Sächsische Stickmaschinenfabrik“ gegründet, entwickelten die Maschinenbauer um den Firmengründer Moritz Albert Voigt u.a. die erste sächsische Handstickmaschine, später die sächsische Pantographen-Schiffchenstickmaschine. Ab 1881 entstand in Plauen mit der Stickmaschinen-Fabrik J.C. & H. Dietrich (später Vogtländische Maschinenfabrik oder VOMAG), im sächsischen Stickmaschinenbau ein ernstzunehmender Konkurrent. Doch der nationale und internationale Bedarf an Stickmaschinen war groß und beide Firmen lebten damit gut. Die Situation änderte sich als die VOMAG 1910 den ersten deutschen Stickautomat mit Lochbandsteuerung präsentierte. In den Folgejahren wurden tausende dieser Automaten verkauft und die VOMAG etablierte sich als Weltmarktführer im Stickmaschinenbau. Doch wie reagierte die Maschinenfabrik Kappel auf diese Herausforderung? Gab es auch einen Kappel-Automat?

Wir wollten diesem Rätsel auf die Spur kommen. An einem Herbsttag 2023 war es soweit. Wir konnten eine alte vogtländische Stickerei besuchen, die einen dieser seltsamen Kappel-Automaten besitzt. Bei der Besichtigung sahen wir vorerst nur die bekannten VOMAG-Automaten. Doch dann stehen wir vor einer Stickmaschine mit einem ungewöhnlichen Design – ein riesiger, klobiger Stickautomat, der nur entfernt an die bekannte VOMAG-Technik erinnert. Am Typenschild ist die Herkunft „Kappel“ unschwer zu erkennen. Anhand der Seriennummer und einiger baulicher Indizien könnte der Kappel-Automaten etwa um 1918 in Betrieb gegangen sein.
Die 15-Yard-Maschine mit dem gewichtigen Automat an der Stirnseite dürfte an die 20 t wiegen. Wie wir erfahren, war dies wahrscheinlich die einzige Kappel-Maschine in 15-Yard-Ausführung, die mit einem originalen Kappel-Automat ausgestattet war. Bei näherer Betrachtung fällt die frontale Anordnung des Lochbandes auf (bei der VOMAG seitliche Anordnung). Auch ist der prinzipielle Unterschied des Kappel-Lochbandes zum VOMAG-Lochband nicht zu übersehen. Kappel hatte eine deutlich größere Lochbandbreite von 182 mm (VOMAG nur 164 mm). Damit unterscheidet sich auch die Codierung der Steuerbefehle, was wiederum ein eigenes Punchsystem voraussetzte.
Wie unsere Recherchen ergaben, existierten tatsächlich im Vogtland mehrere Kappel-Automaten in der 10 Yard-Version. So gab es wohl drei Maschinen mit Kappel-Automaten in der Plauener Stickerei Schuster & Spörl , Haselbrunner Str. 100. Dort wurden auch die Lochbänder an einer Kappel-Punchmaschine sowie entsprechender Repetiertechnik hergestellt. Die Kappel-Maschinen liefen bis in die 1970er Jahre und wurden dann verschrottet. Davon ist nichts erhalten geblieben.

Auch unser Kappel-Automat hat in der kleinen vogtländischen Stickerei über ein halbes Jahrhundert klaglos seinen Dienst getan. Noch heute weiß man um die jahrelangen stampfenden Geräusche der riesigen Maschine, so dass „im Nachbarhaus ständig die Tassen im Schrank vibrierten“. Ende der 1970er Jahre wurde sie außer Dienst gestellt. Seither steht die Kappel-Maschine und wartet – auf was eigentlich: auf das endgültige Ende oder vielleicht doch auf den Erhalt dieses einzigartigen Exemplars sächsischen Maschinenbaus.

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